»Das größte Vergnügen im Leben besteht darin, Dinge zu tun, die man nach Meinung anderer Leute nicht fertigbringt!«
Marcel Aymé
Bin ich abergläubisch? Ich glaube nicht. Sonst würde ich versuchen, 12 oder 14 Stationen aufzuzählen. Aber es sind 13 Stationen auf dem Weg dorthin, wo ich heute bin.
1973. Endlich lesen lernen. In dem Jahr, in dem ich in die Schule komme, lerne ich lesen. Endlich kann ich mir das Reich der Bücher und damit der ganzen Welt erschließen, ohne meine Eltern anbetteln zu müssen, mir etwas vorzulesen. Ich melde mich in der Stadtbibliothek an und lese Bücher über alles, was ich kriegen kann. Beim Lesen kann ich reisen – in andere Länder oder in meine Traumwelten.
1980. Ansichtskarten aus der ganzen Welt. Meine Mutter arbeitet als Germanistin an der Uni. Jedes Jahr im Sommer kommen Leute aus der ganzen Welt zum internationalen Hochschulferienkurs, bei dem sie die deutsche Sprache vermittelt. Dies ist ihr Tor zur Welt und zahlreiche Freundschaften entstehen, deren Output ich als Ansichtskarten in den Händen halte. Ich sammle die Karten, breite sie vor mir auf dem Boden aus und wünsche mich an die verschiedenen Orte. – Ich habe vergessen zu erwähnen, dass ich in der ehemaligen DDR aufwachse und es nur begrenzte Reisemöglichkeiten gibt.
1986. Ich studiere Germanistik/Anglistik. Am Ende dieses Studiums soll ich als Lehrerin vor einer Schulklasse stehen. Dies ist jedoch nicht mein Ziel. Ich studiere aus Interesse an Literatur und Sprachen, um davon ausgehend reisen zu dürfen. Nach abgeschlossener Dissertation ist dies manchmal im Rahmen von Forschungsprojekten möglich. Mein besonderes Interesse gilt in dieser Zeit US-amerikanischen Autoren wie beispielsweise Hemingway, der viel durch die Welt reiste. Ich wäre am liebsten mit Kerouac „On the road“ gewesen. Meinen limitierten Reiserahmen schöpfe ich aus und besuche fast alle Staaten des damaligen Ostblocks: die ehemalige Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und sogar die damalige Sowjetunion.
9. November 1989. Meine Welt dreht sich um 180 Grad. Die Berliner Mauer – in meinen Augen für die Ewigkeit gebaut – fällt und stellt mein Wertesystem und das meiner Mitmenschen auf den Kopf. Was vorher richtig war, ist jetzt falsch und umgedreht. Von einem Tag auf den anderen ist plötzlich alles möglich. Viel zu viel, um es in seiner Gesamtheit und Bedeutung so schnell zu erfassen. Aber das Wichtigste: Ich kann endlich Reisen! Und das tue ich dann auch.
1991. Ich will auf Weltreise gehen. Ich schließe mein Studium als Diplomlehrerin für Deutsch und Englisch ab, trete aber wie geplant nicht den Schuldienst an und bleibe auch nicht an der Uni. Mehr durch Zufall ergibt es sich, dass ich noch eine Ausbildung als Bankkauffrau mache, die ich nur deshalb durchhalte, weil mein Vater mir für den Abschluss das Geld für eine Weltreise verspricht. Davon träumte ich seit 89, aber die Liebe kam dazwischen – ich lernte meinen jetzigen Mann kennen. Obwohl er ebenso reisebegeistert ist wie ich, kann ich ihn nicht von einer einjährigen Weltreise überzeugen. Zu groß ist damals drohende Arbeitslosigkeit und die unsichere Zukunft.
Anfang 90er Jahre. Leben für meine Urlaubsreisen. Nach der verhassten Banklehre arbeite ich noch einige Jahre in dem Job. Damals erscheint mir ein Entkommen unmöglich. Ich lebe nur für meine Urlaubszeit, in der wir ausgiebige Reisen unternehmen: 5 Wochen durch die USA, von Ost nach West, Nord nach Süd, zu viert im Mietwagen. Südafrika auf gleiche Weise, Türkei, Zypern, griechische Inseln mit Bus und Fähren. Davon zehre ich den Rest des Jahres.
1998 Auszeit im Ausland. Unsere Tochter kommt 1996 zur Welt. Ich nehme drei Jahre Erziehungsurlaub, um dem Bankjob zu entfliehen. Zu Hause wird es jedoch zu eintönig. Ich mache noch ein Zusatzstudium im Bereich Deutsch als Fremdsprache mit einem 3,5-monatigem Praktikum in Berkeley. Im Englischkurs an der Adult School lerne ich Menschen aus der ganzen Welt kennen und finde Freunde. Ich bin begeistert und wäre am liebsten einfach in den USA geblieben. Leider findet mein Mann das nicht so lustig und ich kehre zurück nach Hause.
1999 Ich kündige meinen Bankjob. Ich schaffe es tatsächlich, einen neuen Job in einem aufstrebenden und erfolgreichen Start-up-Unternehmen in meiner Heimatstadt zu finden. Das Unternehmen hat Standorte auf allen Kontinenten und viele internationale Mitarbeiter am Hauptsitz in Jena. Meine regelmäßigen Dienstreisen führen mich nach San Francisco, London und Paris. Eines meiner größten Erlebnisse ist eine Reise rund um die Welt – zuerst eine Woche Hongkong, von dort für eine Woche nach Kalifornien und dann nach Hause.
2004. In 80 Tagen um die Welt. Leider nicht ich, sondern mein Mann und seine Clique. Frauen dürfen nicht mit. Ich bin stinksauer. Nach seiner Rückkehr trete ich meine erste große Reise als Alleinreisende an. Zuvor war ich schon allein in Florida gewesen und mit meiner Tochter auf den Kanaren. Nun geht es für 4 Wochen nach Thailand und Laos. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten bin ich begeistert vom Alleinreisen und weitere Reisen folgen.
01. Oktober 2005. Neuer Job im Silicon Valley. Mein Traum, einmal für längere Zeit im Ausland zu arbeiten und zu leben, scheint wahr zu werden. Seit Jahren hatte ich mich als Verwaltungsleiterin an deutschen Schulen weltweit beworben. Jetzt hat es endlich geklappt und ich habe einen Vertrag für 3 Jahre an der GISSV in Mountain View. Allerdings kommt die Zusage sehr kurzfristig. So gehe ich erstmal allein nach Kalifornien, nach dem ersten Schulhalbjahr folgt meine Tochter und am Schuljahresende soll mein Mann zu uns stoßen, der in Thüringen vom Schuldienst freigestellt werden sollte. Hier macht uns das Thüringer Kultusministerium einen Strich durch die Rechnung und gibt ihn nicht frei. So kehren wir im Juli 2006 wieder nach Hause zurück.
2010. Back to the roots. Nach diversen verantwortungsvollen Jobs im kaufmännischen Bereich habe ich genug. Ich will etwas machen, was mich wirklich interessiert, absolviere einen einjährigen Zertifikatslehrgang als Interkulturelle Trainerin und mach mich selbstständig. Leider funktioniert das nicht so wie gedacht und ich mache meinen Fähigkeiten naheliegende Tätigkeiten wie Übersetzen und Lektorieren. Nebenbei schließe ich noch eine Ausbildung als Mediatorin ab und biete Relocation Services an, bei denen ich ausländische Angestellte unterstütze, in Thüringen Fuß zu fassen.
2012. Ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache im Ausland. Ich erfülle mir nun meinen Traum vom Arbeiten und Leben im Ausland häppchenweise. Als wärmeliebender Mensch hasse ich Winter und ergreife die Möglichkeit, drei Monate an der Uni in Pematangsiantar auf Sumatra in Indonesien zu verbringen. Später folgen Arbeitsaufenthalte in Nigeria, im Sudan und zweimal auf den Philippinen. Diese Aufenthalte gehören auf jeden Fall zur spannendsten Zeit meines Lebens.
2022. Zweiter Start in die Selbstständigkeit. Nach erneuter Anstellung in Teilzeit im kaufmännischen Bereich bin ich wieder so unzufrieden, dass ich mich entschließe, zu kündigen und neu zu starten. Dieses Mal will ich meine Hobbys endgültig miteinander verbinden und gründe mein Online-Reisebüro Traveliterra mit mobiler Reiseberatung. Aufgrund meiner Reiseerfahrung konzentriere ich mich besonders auf Individualreisen. Da für mich das Lesen auf, vor und nach dem Reisen immer eine große Rolle spielt, gebe ich auf meiner Website außerdem Tipps für entsprechende Reiseliteratur und verknüpfe so beide Leidenschaften.